Ab 2013 sollen Neuwagen mit Kommunikationsboxen ausgestattet werden. Die können Informationen über Geschwindigkeit und Standort des Fahrzeugs übermitteln. Die EU will damit die Unfallzahlen senken und den Verkehrskollaps verhindern. Datenschützer warnen vor der totalen Überwachung.
Für großes Aufsehen sorgte es nicht, als im Dezember vergangenen Jahres in Berlin CVIS getestet wurde. Hätte es aber vielleicht sollen. Denn was da erstmals öffentlich vorgestellt wurde, könnte das Leben von Millionen Autofahrern von Grund auf verändern und – das befürchten jedenfalls Kritiker – der Kern einer europaweiten Überwachungsinfrastruktur bislang beispielosen Ausmaßes sein.
CVIS steht für kooperative Fahrzeug-Infrastruktur Systeme und wird von einem Konsortium namens Ertico entwickelt, an dem etliche europäische Automobilkonzerne, Telekommunikationsfirmen und Ministerien beteiligt sind. Das Projekt ist Teil einer Initiative der Europäischen Kommission zur Einführung sogenannter intelligenter Verkehrssysteme. Mit dieser Initiative will Brüssel den Verkehr auf europäischen Straßen sicherer machen und besser fließen lassen; erst in der vergangenen Woche gab der Verkehrsausschuss des EU-Parlaments grünes Licht für die Verabschiedung einer entsprechenden europaweit gültigen Rahmenrichtlinie.
Der Herzschlag des Autos
Das von Ertico entwickelte System soll 2013 marktreif sein. Die Idee: In Neuwagen werden serienmäßig Kommunikationsboxen eingebaut, die ständig Informationen über Fahrzeugklasse und -typ, Geschwindigkeit, Standort und Fahrtrichtung aussenden. Dieser „Herzschlag” des Autos kann von den Kommunikationsboxen anderer Fahrzeuge, aber auch von ähnlichen Einrichtungen an Ampeln und Autobahnbrücken empfangen werden. Durch Sammlung und Abgleich der Informationen sollen Staus vermindert und Unfälle vermieden werden. Soweit die Theorie.
Praktisch könnte mit einem solchen System ein Bewegungsprofil von Autofahrern erstellt werden. Der Standort eines Fahrzeugs kann mit der Technik bis auf einen Meter genau lokalisiert werden, schwärmt Ertico. Datenschützern ist diese Vorstellung ein Gräuel: „Ein System, das permanent Aufenthaltsdaten funkt, wäre ein komplettes Überwachungssystem. Das können wir nicht akzeptieren”, so ein Sprecher des Bielefelder Datenschutzvereins FoeBud.
"Unfehlbares Überwachungssystem"
Simon Davis, Direktor der britischen Datenschutzorgansiation Privacy International, warnte im „Guardian”, falls Daten aus einem solchen System mit Daten von Mobil-Telefonen abgeglichen würden, könne somit ein nahezu „unfehlbares Überwachungssystem” geschaffen werden.
Die Brisanz ist den EU-Parlamentariern durchaus bewusst. Allerdings findet sich im Entwurf für die europaweite Rahmenrichtlinie nur der schwammige Hinweis, dass personenbezogene Daten nur dann verarbeitet werden dürften, wenn dies für den Betrieb von intelligenten Verkehrssystem erforderlich sei.
Ein Milliardengeschäft
Klar ist jedenfalls: Für die beteiligten Firmen würde die europaweite Einführung des Systems eine Goldgrube. Jede an einer Ampel oder einer Autobahnbrücke installierte Kommunikationsbox würde mit 500 bis 700 Euro zu Buche schlagen, schätzt Peter Christ, Projektmanager bei Ertico: „Das wären Milliarden-Investitionen.” Die Autofahrer sollten laut Christ besser nicht gefragt werden, ob sie eine solche Box in ihrem Auto haben wollen. "Das sollte europaweit verpflichtend eingeführt werden."
Für die Datenübertragung ist bereits europaweit ein Frequenzband reserviert. Die bisherigen Projektarbeiten haben 41 Millionen Euro gekostet. Die Hälfte davon stammt aus Steuergeldern.
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