Montag, 22. Juni 2009

Iranische Internetzensur mit Europäischer Technik

Stecker raus, hat sich das iranische Regime letzte Woche wohl gesagt. Immer wieder waren Youtube, Twitter und andere Internetseiten im Land blockiert oder nur begrenzt zugänglich. Doch die Webpolizisten der Mullahs können weitaus mehr: Sie haben eine ausgeklügelte Maschinerie entwickelt, um das Web zu kontrollieren und zensurieren. So sperren sie nicht nur den Zugang zu einzelnen Seiten, sondern können auch herausfinden, welche Inhalte einzelne Personen im Internet besuchen. Damit haben die Webspione die Möglichkeit, jedes E-Mail, Twitter-Kurznachrichten oder Bilder auf Schlüsselworte zu durchsuchen, mitzulesen und sogar zu verändern – was die Kommunikation der oppositionellen Demonstranten erheblich einschränkt.

Technologie aus Europa

Die technische Ausrüstung dazu erhielt das Regime aus Europa: Laut einem Bericht des «Wall Street Journal» hat ein Joint Venture aus dem deutschen Industriekonzern Siemens und dem finnischen Mobiltelefonhersteller Nokia die Anlagen und die Software – oder zumindest Teile dazu – in der zweiten Hälfte des letzten Jahres geliefert. «Das ‹Kontrollzentrum› wurde beim iranischen Telekom-Regierungsmonopolisten installiert, und zwar im Rahmen eines grösseren Vertrags für Netzwerk-Technologie», sagt Ben Roome, Sprecher des Joint Ventures mit dem Namen Nokia Siemens Networks. Wenn man Netzwerke verkaufe, erhalte der Käufer automatisch auch die technische Möglichkeit, die darüber laufende Kommunikation zu kontrollieren.

Das würde laut dem «Wall Street Journal» auch erklären, warum das Internet in den letzten Tagen nicht komplett blockiert wurde und viel langsamer lief als sonst. Nutzer meldeten, dass das Tempo weniger als ein Zehntel der Normalgeschwindigkeit betrug. «Iran möchte herausfinden, was die Bevölkerung zu sagen versucht» sagt Bradley Anstis, Direktor einer Internetsicherheitsfirma in Kalifornien. Er glaubt, dass das iranische Regime damit mehr Möglichkeiten hat, das Internet zu kontrollieren, als China.

Lieferung ist legal

Beim Nokia-Siemens-Joint-Venture lässt man die Kritik nicht gelten. «Es ist besser, den Leuten – egal wo sie leben – Kommunikation zu ermöglichen, als ihnen diese Wahl nicht zu lassen», sagt Roome. Zudem sei die Technik gemäss dem international anerkannten Konzept der «gesetzmässigen Kontrolle» an Iran geliefert worden: So dürfen auf diesem Wege Daten abgefangen werden, um Terrorismus, Pornographie, Drogenhandel oder sonstige kriminelle Aktivitäten zu bekämpfen.

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