Dienstag, 14. April 2009

Bekenntnisse eines Economic Hit Man

John Perkins war in den 1970er Jahren bei der Beraterfirma Chas. T. Main angestellt, nachdem er, wie er behauptet, von der US-amerikanischen National Security Agency (NSA) sicherheitsüberprüft und anschließend von einem Mitarbeiter der Firma und NSA-Verbindungsmann eingestellt wurde, um nach eigener Beschreibung ein Economic Hit Man (EHM; frei übersetzt: Ein ökonomischer Knochenbrecher) zu werden.
Laut seinem Buch bestand Perkins' Funktion darin, die politische und wirtschaftliche Führungselite unterentwickelter Staaten dazu zu bringen, größere Entwicklungshilfekredite aufzunehmen, als sie ökonomisch verkraften konnten, um sie durch die so herbeigeführte Zahlungsunfähigkeit anschließend erpressen zu können. Staatschefs, die derlei „Deals“ nicht zu folgen bereit waren, seien mit geheimdienstlicher Hilfe von den USA aus dem Weg geräumt worden (unter anderem nennt Perkins explizit einen früheren Präsidenten Panamas, Omar Torrijos, der bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz 1981 ums Leben kam und Jaime Roldos, einen Präsidenten Ecuadors). Auszüge aus seinem Buch "Bekenntnisse eines Economic Hit Man - Unterwegs im Dienst der Wirtschaftsmafia":


Economic Hit Men (EHM) sind hochbezahlte Experten, die Länder auf der ganzen Welt um Billionen von Dollar betrügen. Sie schleusen Geld von der Weltbank, von der US-Agentur für internationale Entwicklung (USAID) und anderen ausländischen 'Hilfsorganisationen' auf die Konten großer Konzerne und in die Taschen weniger reicher Familien, die die Rohstoffe unseres Planeten kontrollieren. Ihre Methoden sind betrügerische Finanzanalysen, Wahlmanipulation, Bestechung, Erpressung, Sex und Mord. Ihr Spiel ist so alt wie der Drang nach dem Weltreich, doch heute, im Zeitalter der Globalisierung, hat es neue und erschreckende Dimensionen angenommen. Ich weiß das, ich war ein EHM.

Das ist die eigentliche Kompetenz der EMH: Wir bauen ein Weltreich auf. Wir sind eine Elite aus Frauen und Männern, die internationale Finanzorganisationen dazu benutzen, jene Bedingungen zu schaffen, mit denen andere Länder der Korporatokratie, so nenne ich den Komplex von Konzerne, Banken und Regierungen, unterworfen werden sollen. Und diese Korporatokratie beherrscht unsere größten Konzerne, unsere Regierung und unsere Banken. Wir haben viele Wege eingeschlagen, um dieses Imperium zu gründen, aber am typischsten ist vielleicht der, daß wir uns ein Entwicklungsland aussuchen, das über Ressourcen verfügt, die wir haben wollen, zum Beispiel Öl. Wie unsere Pendants in der Mafia bieten wir EHM nun einen Dienst oder eine Gefälligkeit an. Das kann zum Beispiel ein Kredit zur Entwicklung der Infrastruktur sein: Stromkraftwerke, Schnellstraßen, Häfen, Flughäfen oder Gewerbeparks. An den Kredit ist die Bedingung geknüpft, dass Ingenieurfirmen und Bauunternehmer aus unserem Land all diese Projekte bauen. Im Prinzip verlässt ein Großteil des Geldes nie die USA, es wird einfach von Banken in Washington an Ingenieurbüros in New York, Houston oder San Francisco überwiesen.

Obwohl das Geld also fast umgehend an Unternehmen zurückfließt, die zur Korporatokratie (dem Geldgeber) gehören, muss das Empfängerland alles zurückzahlen, die Schuldsumme plus Zinsen. Wenn ein EHM richtig erfolgreich ist, dann sind die Kredite so hoch, dass der Schuldner nach einigen Jahren seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Dann verlangen wir wie die Mafia unseren Anteil. Dazu gehören vor allem: die Kontrolle über die Stimmen in der Uno, die Errichtung von Militärstützpunkten oder der Zugang zu wichtigen Ressourcen wie Öl oder die Kontrolle über den Panamakanal. Natürlich erlassen wir dem Schuldner dafür nicht die Schulden - und haben uns so wieder ein Land dauerhaft unterworfen.

Die Raffinesse, mit dem dieses moderne Reich aufgebaut wird, stellt die römischen Zenturios, die spanischen Konquistadoren und die europäischen Kolonialmächte des 18. und 19. Jahrhunderts bei weitem in den Schatten. Wir EHM sind schlau, wir haben aus der Geschichte gelernt. Wir tragen keine Schwerter mehr. Wir tragen keine Rüstung oder Kleidung, die uns verraten könnte. In Ländern wie Ecuador, Nigeria oder Indonesien kleiden wir uns wie Schullehrer und Ladenbesitzer. In Washington und Paris sehen wir wie Regierungsbeamte oder Banker aus. Wir wirken bescheiden und normal. Wir besuchen Projekte und schlendern durch verarmte Dörfer. Wir bekunden Altruismus und sprechen mit den Lokalzeitungen über die wunderbaren humanitären Leistungen, die wir vollbringen. Wir bedecken die Konferenztische von Regierungsausschüssen mit Tabellen und finanziellen Hochrechungen und halten an der Harvard Business School Vorlesungen über die Wunder der Makroökonomie. Wir sind stets präsent und agieren ganz offen. Oder zumindest stellen wir uns so dar und werden so akzeptiert. So funktioniert das System. Wir greifen selten zu illegalen Mitteln, weil das System auf Täuschung basiert, und das System ist von der Definition her legal.

Aber (und das ist ein sehr starkes "Aber") wenn wir scheitern, greift eine ganz besonders finsterere Truppe ein, die wir EHM als Schakale bezeichnen, Männer, die die direkten Erben dieser frühen Weltreiche sind. Die Schakale sind immer da, sie lauern im Schatten. Wenn sie auftauchen, werden Staatschefs gestürzt oder sterben bei "Unfällen". Und wenn die Schakale versagen sollten, wie zum Beispiel in Afghanistan oder im Irak, dann muss doch wieder das alte Modell herhalten. Dann werden junge Amerikaner in den Krieg geschickt, um zu töten und zu sterben.

Die globale Vorherrschaft der Vereinigten Staaten beruht im Wesentlichen darauf, dass der US-Dollar die Standard- und Reservewährung der Welt ist und dass die United States Mint das Recht besitzt, diese Dollars zu drucken. Und so vergeben wir Kredite an Länder wie Ecuador, wohl wissend, dass diese Staaten sie niemals werden zurückzahlen können; wir wollen auch gar nicht, dass sie ihre Schulden begleichen, denn diese Nichtzahlung gibt uns die Mittel an die Hand, die wir brauchen. Unter normalen Umständen würden wir dadurch unser Kapital ernsthaft gefährden, denn kein Gläubiger kann es sich dauerhaft leisten, allzu viele uneinbringliche Kredite in seinen Büchern zu haben.

Aber wir leben nicht unter normalen Umständen. Die Vereinigten Staaten drucken Geld, das nicht durch Gold gedeckt ist. Es wird im Wesentlichen durch nichts anderes gedeckt als durch das allgemeine weltweite Vertrauen in unsere Wirtschaft und in unsere Fähigkeit, die Kräfte und die Ressourcen des Imperiums, das wir geschaffen haben, richtig zu nutzen und einzusetzen. Dass wir Geld drucken können, verleiht uns enorme Macht. Es bedeutet unter anderem, dass wir weiterhin Darlehen vergeben können, die aller Wahrscheinlichkeit nach nie zurückgezahlt werden, und dass wir gigantische Schuldenberge aufhäufen können. Anfang 2003 beliefen sich die Schulden der Vereinigten Staaten auf atemberaubende sechs Billionen Dollar, und sie sollten bis Ende des Jahres auf sieben Billionen steigen - was ungefähr 24 000 Dollar für jeden US-Bürger entspricht.

Solange die Welt den US-Dollar als Standard- und Reservewährung akzeptiert, stellt diese exzessive Verschuldung keine ernste Gefahr für die Korporatokratie dar. Sollte irgendwann jedoch eine andere Währung den Dollar ersetzen oder sollten sich einige von Amerikas Gläubigern (Japan oder China) entschließen, einen Teil dieser Wertpapiere zu verkaufen, um ihr Geld zurückzuholen, würde sich die Situation dramatisch verändern. Die Vereinigten Staaten würden sich schlagartig in einer höchst prekären Lage wiederfinden.



Textauszug aus John Perkins: Bekenntnisse eines Economic Hit Man. Unterwegs im Dienst der Wirtschaftsmafia. Riemann Verlag. 2007. Komplettes Vorwort und Prolog, sind zu lesen unter: http://www.neuer-weg.com/politik/diverses/perkins_02.pdf


Das Nachwort der englischen Auflage 2006 enthält eine Kritik des derzeitigen Schuldenerlasses der dritten Welt durch die G8-Staaten. Perkins klagt, dass die vorgeschlagenen Bedingungen für diesen Schuldenerlass diese Länder zwingen, ihre Gesundheits-, Bildungs-, Energieversorgungs-, Wasser- und andere Infrastrukturen an Privatkonzerne zu verkaufen. Diese Länder müssten auch ihre Subventionen für einheimische Betriebe einstellen, andererseits aber die Weiterführung der Subventionen an einige G8-Betriebe durch die USA und andere G8-Staaten akzeptieren, außerdem die Errichtung von Handelsbarrieren auf Importe, die G8-Industrien bedrohen. Die Ereignisse in Bolivien und Tansania werden als Beispiele der Effekte dieser vorgeschlagenen Bedingungen angeführt.


Weitere Link- und Literaturhinweise:

- IWF und Weltbank - zwei Instrumente zur Zerstörung von Nationen. Ein aufschlussreiches Interview mit Michel Chossudovsky: http://www.trend.infopartisan.net/trd0900/t400900.html

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