10. November 2009
Nacht für Nacht brennen in Berlin teure Autos
Die Polizei schafft es nicht, den Brandstiftern das Handwerk zu legen - Jetzt gibt es sogar die Idee einer Bürgerwehr, um dem Flammenspuk endlich ein Ende zu bereiten - Von Birgit Baumann aus Berlin
"In der vergangenen Nacht brannte in Rudow ein geparktes Auto. (...) Einsatzkräfte der Feuerwehr löschten den Brand. Das Fahrzeug wurde erheblich beschädigt." Was in einer Mitteilung der Berliner Polizei derart nüchtern beschrieben wird, regt die deutsche Hauptstadt derzeit auf wie kaum ein zweites Thema. Fast jede Nacht werden in Berlin Autos abgefackelt. 256 waren es in diesem Jahr bereits, mehr als jemals zuvor.
Ausgelöst werden die Brände durch Grillanzünder. Nächtens, im Dunkeln, ist ein solcher schnell auf den Autoreifen gelegt. Bis zuerst dieser und dann das ganze Auto brennt, dauert es nicht lange. Doch es verstreicht ausreichend Zeit, dass die Täter noch schnell verschwinden können.
Zunächst gingen die Brandstifter nicht unstrategisch vor: Vor allem Wagen der Marken Mercedes, BMW und VW brannten in den "Szenebezirken" Kreuzberg, Friedrichshain, Mitte und Prenzlauer Berg. Doch mittlerweile trifft es auch Autos von "Otto Normalverbraucher" in anderen Bezirken. "Soll man zur Sicherheit eine Garage mieten?", ist zur allseits diskutierten Frage im Freundes- und Bekanntenkreis geworden.
Wowereit unter Druck
Wer hinter den Brandanschlägen steckt, ist unklar. Bisher gingen bei der Polizei elf Bekennerschreiben verschiedener militanter Gruppen ein, die allesamt angeben, gegen die teure Sanierung alter Wohngebiete, Militarismus, Rassismus und Atompolitik zu kämpfen. "Diese Anschläge sind kriminelle Handlungen", sagt Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und bringt mit diesen unverbindlichen Worten die bürgerliche Opposition in Rage.
CDU und FDP werfen ihm vor, aus Rücksicht auf seinen Koalitionspartner Linkspartei härter gegen Linksextremismus vorzugehen. So kritisiert Berlins FDP-Fraktionschef Christoph Meyer: "Ein Teil des Senats gibt den Linksextremen das Gefühl, dass sie hier machen können, was sie wollen."
Frustriert ist auch die Polizei. Sie klagt über zu wenig Geld und Beamte. Man könne unmöglich 5000 Kilometer Straßen und 1,4 Millionen Fahrzeuge überwachen. Da es aber nicht mehr Mittel gibt, sollen Berlins Bürger jetzt selbst für Ruhe sorgen. Bodo Pfalzgraf, Chef Polizeigewerkschaft, fordert eine "breite Bürgerbewegung gegen den Kiezterror" (Grätzlterror).
Anwohner sollten besser aufpassen, Politiker deutlicher vermitteln, dass es Belohnung bei Ergreifung der Täter gibt. Eigene Ideen hat der rot-rote Senat bisher nicht. Aber eine "Bürgerwehr" lehnt er ab, da das Gewaltmonopol beim Staat liege. Demnächst soll jedoch eine Studie über mögliche Motive der Täter vorgestellt werden.
(Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD Printausgabe, 11.11.2009)
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