Deutschlands Stromwirtschaft steuert 2012 auf einen außergewöhnlich großen Exportüberschuss zu. Politisch ist das durchaus brisant.
Die Atomlobby hatte nach Beginn des Atomausstiegs vor anderthalb Jahren den Eindruck erweckt, Deutschland werde abhängig von Stromimporten. Die deutschen Stromexporte überstiegen die -importe seit Jahresbeginn um etwa 17 Milliarden Kilowattstunden, wie das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg anhand von Daten der Übertragungsnetzbetreiber kalkuliert hat. Damit floss seit Anfang Januar im Schnitt die Produktionsmenge von zwei Atomkraftwerken oder drei mittelgroßen Kohleblöcken ins Ausland.
Größte Abnehmer waren die Niederlande, die Schweiz und Österreich. Bereits mehrfach gab es in diesem Jahr Wochen, in denen Deutschland durchgehend einen Exportüberschuss aufwies. Zuletzt war dies in der ersten Oktoberwoche der Fall.
Trotz der Abschaltung von acht Atomkraftwerken hat die Bundesrepublik damit bereits mehr überschüssigen Strom exportiert als in manchen Jahren vor der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima und dem folgenden Atomausstieg. 2009 zum Beispiel lag der Exportüberschuss im ganzen Jahr bei 14,3 Milliarden Kilowattstunden. Dieser Wert ist bereits übertroffen. Nach aktuellem Stand ist es möglich, dass im laufenden Jahr der historische Höchstwert von 2008 übertroffen wird, der bei 22,4 Milliarden Kilowattstunden Exportüberschuss lag.
Nach Beginn des Atomausstiegs im Frühjahr 2011 erweckten die Atomkonzerne den Eindruck, Deutschland sei nun darauf angewiesen, Energie aus dem Ausland einzukaufen – auch Atomstrom. Entsprechend äußerte sich der Energiekonzern RWE und das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). Beide sitzen in Essen und stehen sich nahe. Der RWE-Finanzvorstand saß bis 2011 im Verwaltungsrat des RWI.
Nach dem Ausstiegsbeschluss sagte im Juni 2011 der damalige RWE-Chef Jürgen Großmann, Deutschland sei nun Stromimporteur. Das war insofern richtig, weil es seit Jahrzehnten vor allem im Sommer immer wieder Tage gibt, an denen Deutschland Strom importiert. Doch es war nur eine geschickt kommunizierte Momentaufnahme. Manuel Frondel vom RWI sagte es noch drastischer: Deutschland werde nun zum Nettoimporteur von Strom werden – was aber im vergangenen Jahr nicht der Fall war und auch in diesem Jahr nicht sein wird. Das verhinderten ein Plus beim Kohlestrom und der Ausbau des Ökostroms. Der aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse erzeugte Strom legte so stark zu, dass der Atomausstieg kompensiert wurde.
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