Freitag, 12. November 2010

Traditionelle Landwirtschaft soll kriminalisiert werden

Gentechnik-Agrobusiness macht Druck: Traditionelle Landwirtschaft soll kriminalisiert werden
F. William Engdahl

Die traditionelle Landwirtschaft ist bedroht: Sowohl in einem Vertragswerk zwischen den USA und Kanada als auch in einem neuen, von der Obama-Regierung unterstützten Gesetzentwurf mit der irreführenden Bezeichnung »Food Safety Enhancement Act« [Gesetz zur Verbesserung der Nahrungsmittelsicherheit] und dem entsprechenden Senatsentwurf S. 510 sowie in einem von der US-Lebensmittelbehörde FDA vorgelegten Entwurf zur Modernisierung der Nahrungsmittelsicherheit finden sich versteckte Passagen, wonach die Landwirtschaft, wie sie seit 5.000 Jahren auf der Welt betrieben wird, in der EU, den USA, in Kanada kriminalisiert werden soll.

Der kanadische Bauernverband NFU hat den bislang nicht veröffentlichten Text des Handelsabkommens CETA [Canada-EU Comprehensive Economic and Trade Agreement] veröffentlicht, über das derzeit verhandelt wird. CETA, mit dessen baldiger Ratifizierung gerechnet wird, stellt einen gefährlichen Präzedenzfall dar, auf den sich Monsanto und die GVO-Agrobusiness-Lobby auch bei Handelsgesprächen zwischen Nordamerika und der EU beziehen wollen.

Wie die NFU meldet, drohten den Landwirten unter CETA »drakonische« Maßnahmen wegen der Verletzung von Urheberrechten. Die seit Jahrhunderten bewährte Praxis, Saatgut aus der eigenen Ernte zurückzulegen, zu verwenden oder zu verkaufen, würde praktisch abgeschafft.
Nach den in CETA festgelegten Bestimmungen könnte Landwirten, die aufgespartes Saatgut verwenden, Anbauflächen, Maschinen und Ernte beschlagnahmt werden, da sie angeblich gegen die Urheberrechte für die Pflanzensorten von Unternehmen wie Monsanto, Dow, Syngenta und Bayer verstießen.

»Auch die Bankkonten könnten gesperrt werden, sodass man sich nicht einmal vor Gericht verteidigen könnte. Und das alles wegen der Verletzung von Patenten«, sagt NFU-Präsident Terry Boehm. »Das sind die schlimmsten drakonischen Maßnahmen, die man sich nur vorstellen kann, sie würden zu einer regelrechten Angstkultur in der Landwirtschaft führen, in der Landwirte dann aus Angst jedes Jahr Saatgut für ihre gesamten Anbauflächen kaufen würden, nur um der Strafverfolgung oder auch nur der Androhung einer Strafverfolgung zu entgehen.«
Die kanadische Regierung unterstützt das CETA-Handelsabkommen, weil damit angeblich der Handel mit der EU »um 20 Prozent« gesteigert würde.
Unter CETA dürften Regierungsbehörden auf allen Ebenen regional produzierte Lebensmittel und örtliche Betriebe nicht mehr bevorzugt behandeln.


Monsanto »modernisiert« die Lebensmittelsicherheit

 Die Regierung Obama nutzt das FDA-Gesetz zur Modernisierung der Lebensmittelsicherheit als Grundlage für die CETA-Verhandlungen mit Kanada.
Obamas »Lebensmittelsicherheit«-Gesetz sieht die Einrichtung einer besonderen körperschaftlichen Gerichtsbarkeit außerhalb der regulären Gerichte vor. Man kann davon ausgehen, dass Monsanto auch hier das Sagen hätte, wie es bereits heute bei der »Lebensmittelsicherheit« der FDA der Fall ist. Sie unterläge nicht der Aufsicht des Kongresses und würde über uneingeschränkte nicht genauer bezeichnete Rechtsmittel verfügen, »zusätzlich und einschließlich anderer eventuell zur Verfügung stehender Rechtsmittel«, es gäbe keine Normenkontrolle über »Rechtswirksamkeit und Angemessenheit des Urteils …«

Falls nicht jemand tatsächlich im Zusammenhang mit Lebensmitteln ums Leben kommt – dann ist automatisch eine Strafkammer zuständig –, werden nach dem vorgeschlagenen Gesetz sämtliche Fälle als Zivilsache »behandelt«. Gemäß S. 510 können bei fehlerhafter Dokumentation und »Kennzeichnung«, die nach Ermessen der Verantwortlichen definiert werden, lange Haftstrafen verhängt werden. Das könnte bedeuten, dass ein Landwirt im Gefängnis landen würde, weil er seine Produkte als »gentechnikfrei« gekennzeichnet hatte.

Die Agrobusiness-Interessen, die hinter den eingangs genannten amerikanischen Gesetzentwürfen und den Bestimmungen der FDA stehen, sind dieselben mächtigen Interessengruppen, die in den USA bereits zuvor die Deregulierung der Kontrollverfahren für Fleisch- und Geflügel durchgesetzt hatten. Sie wollen die eingebauten Hindernisse in den Bestimmungen auf ein Minimum reduzieren, die es den Agrobusiness-Multis erschweren, ihre Waren von einer untergeordneten Tochtergesellschaft zur anderen zu verschieben. Deshalb führen sie jetzt die »Lebensmittelsicherheit« ins Feld.

Der entscheidende Mann in der Obama-Regierung, der vermutlich den »Food Safety Modernization Act« verfasst hat, ist Michael R. Taylor. Wie ich in meinem Buch Saat der Zerstörung darlege, war Taylor, der zuvor als Anwalt für Monsanto gearbeitet hatte und später für die FDA tätig war, maßgeblich daran beteiligt, dass gentechnisch veränderte Organismen nicht durch staatliche Behörden getestet werden mussten und dass die Kennzeichnung von Gen-Lebensmitteln verboten wurde.

Heute ist Taylor, der zwischenzeitlich Vizepräsident von Monsanto geworden war, Obamas stellvertretender Leiter der Abteilung Lebensmittel bei der FDA. Er wurde genau zu dem Zeitpunkt ernannt, als Obama und andere G8-Staatschefs 20 Milliarden Dollar für »den Kampf gegen den Hunger in Afrika« versprochen und das Projekt der Rockefeller- und der Gates-Stiftung für eine Grüne (sprich: GVO) Revolution in Afrika unterstützt hatten.


Durch ein neues amerikanisches Gesetz zur »Lebensmittelsicherheit« würde die traditionelle Landwirtschaft kriminalisiert, Gewinner wäre die Gentechnik.

Das US-Gesetz über Lebensmittel-»Sicherheit« würde nicht nur kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben den Garaus machen, es bedeutete auch das Ende für die organische Landwirtschaft, für konventionelles und organisches Saatgut, für die Bewegung für regionalen Anbau und sogar für Gemüsegärten. Aufsichtsbeamte wären berechtigt, Privatgelände und Höfe zu betreten, die im Gesetz praktischerweise als »Grundstücke« bezeichnet werden, und bei Nichteinhaltung der Bestimmungen hohe Strafen zu verhängen. Diese Bestimmungen in dem Gesetzentwurf werden in den Mainstreammedien in den USA praktisch nicht erwähnt, denn schließlich soll das Gesetz ohne Proteste klammheimlich angenommen werden.
Ein Sprecher der Presseabteilung von Monsanto erklärt, Monsanto habe nicht das Geringste mit dem Gesetz zu tun. Zu Taylors Rolle wollte er sich ebenfalls nicht äußern.

Monsanto und dem weltweiten Agrobusiness droht ein Aufstand einer empörten Öffentlichkeit, die ihr Recht auf gesunde Lebensmittel einfordert. Angesichts der allgemeinen Empörung über die industrielle Landwirtschaft und die kontaminierten Lebensmittel, die dort produziert werden, setzen die Konzerne jetzt auf Angst, beispielsweise vor unbedeutenden Tierkrankheiten wie der getürkten H1N1-Pandemie, die von Regierungsbehörden noch immer verfolgt wird. Sie greifen zu Lügen und Betrug, um die natürliche Landwirtschaft in den USA, Kanada und, wie es aussieht, auch bald in der EU abzuschaffen.

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